Es sind Porträts meiner Realität, fotografisch festgehalten, angetrieben durch einen noch zur konkaven Kurve geschwungenen Mund, die mich zum Blatt und zur Leinwand führen. Ich setze diesen Momenten einem Abstraktionsprozess aus. Ein Element im Hintergrund, das zunächst unscheinbar im Bild ist, wird zum Vorschein gebracht. Ich reduziere meine Arbeiten auf einen direkten Pinselstrich, deute Gesichter nur an und lasse Figuren unter einem Nebel verschwinden. So bleibt von einer architektonischen Linie auf der Leinwand lediglich ein blankes Gerüst übrig, und die Farbe eines Stuhls wird als Fläche bestimmt. Die gesichtslosen Figuren sind das Geheimnis meiner Biographie. In meinen Bildern verschwimmen Raum und Subjekt ineinander sowie die Grenzen zwischen Erinnerung und dem flüchtigen Moment. Im Malprozess entstehen Störungen wie Übermalungen, die gilt es auszuhalten. Ich betrachte sie als Geschichten, die während des Arbeitens auf der Leinwand und auf dem Papier passieren. Diese Geschichten haben keinen Anfang und kein Ende, sie sind lebendig, sie verändern sich je nach Betrachter:in – und lassen ihn/sie Teil von dem Bild werden. Die einzige Begrenzung ist die, den Malprozess zu beenden.
SOLWEIG DE BARRY
Stipendiatin 2022/23
Die deutsch-französische Künstlerin Solweig de Barry (geb. 1987) kam für ein Studium der Malerei bei Prof. Robert Lucander nach Berlin, wo sie 2014 als Meisterschülerin an der Universität der Künste abschloss. Sie lebt und arbeitet in Berlin.