SOLWEIG DE BARRY | JOSEPHINE HANS

floating concrete

22.3. – 3.5.2023

Eine Flüchtigkeit, die inmitten des urbanen Lebens zu schweben scheint. Ein Zustand des Übergangs, der Unbeständigkeit, jener Augenblick, der sich zwischen dem Festen und dem Flüchtigen befindet, kurz vor der Ewigkeit. Die Farben und Formen, die in den Werken von Solweig de Barry auftauchen, während sie bei Josephine Hans aufblitzen, sind Fragmente des alltäglichen Geschehens, Momentaufnahmen aus dem Fluss des Überflusses.

Solweig de Barry modelliert in ihren Arbeiten neue Welten. Mittels Substraktion zerlegt sie den Bildgegenstand sukzessive und verhandelt damit die Begrenzungen des ursprünglichen Bildmotivs und die ihm innewohnende Flüchtigkeit neu. Durch die radikale Reduktion von Perspektive, Bildaufbau und Realitätsnähe entwickelt die Künstlerin in der farbigen Flächigkeit der Formen und Linien so ein neues, immaterielles Abbild persönlicher Momente.[1]

Josephine Hans hingegen sucht nach flüchtigen Erscheinungen, nach immer neuen Erzählformen. In ihrer Arbeitsweise manifestiert sich die Veränderung durch Wiederholung, wobei Geschwindigkeit zu ihrer zentralen Strategie wird. Ihre Arbeiten sind ein Ausflug in die Farbmetastruktur unserer Gegenwart: Schnell. Kurz. Unpräzise. Unbeholfen. Mehrfache Variationen desselben Motivs werden zur Erzählung unserer Zeit.

So schweben die Werke von Solweig de Barry und Josephine Hans zwischen Konkretem und Unkonkretem, zwischen Überfluss und Reduktion, zwischen Schwere und Leichtigkeit. Sie halten die Balance zwischen Figur und Abstraktion und schaffen ein neues Bild unserer Zeit, das sich der Flüchtigkeit der Ewigkeit bewusst ist. Ein Leben auf Asphalt. Ein Meer aus Plastik. Eine Erinnerung an Bananensplit. Ein Geschmack, der zerfließt. vergeht. verfliegt.

Solweig de Barry | Josephine Hans, 2023
[1] Auszug aus dem Text Relikte des Temporären zu den Arbeiten von Solweig de Barry von Sonja-Maria Borstner

SOLWEIG DE BARRY

JOSEPHINE HANS

ISABELLA BRAM | SINA LINK

wonky wave

15.2. – 15.3.2023

In wonky wave schaffen Isabella Bram und Sina Link ein Spannungsfeld von Inszenierung und Alltäglichkeit. Die Künstler:innen spielen mit subtilen und widersprüchlichen Sinnbildern, Sujets und Zeichencodes, ohne eindeutige Rückschlüsse auf deren Entschlüsselung zu bieten. Sowohl Bram als auch Link arbeiten in einer fließenden, freien Materialität. Die Arbeiten sind plastisch und raumgreifend, im Wechselspiel von Nähe und Distanz wirkend. Es ist der Dialog mit den Werken, aus dem eine Aktivierung und damit eine Entschlüsselung des Bild-Positiven im Fall von Sina Link und der codierten Rätsel im Fall von Isabella Bram hervorgeht. 

In Isabella Brams Arbeiten sind Bildobjekte Träger von assoziativen Zeichencodes. Durch die ineinandergreifenden, sich überlagernden Objekte und Oberflächen ergeben sich ganz unbestimmte Verbindungen und ambivalente, sinnbildliche Rätsel. Zwischen malerischen und bildhauerischen Methoden arbeitend, bricht Isabella Bram mit dem konventionellen Malereibegriff und schafft Bildträger, die aufgrund ihrer Plastizität raumgreifend und anregend wirken. Alltägliche Bilder und Objekte werden aus ihrem Kontext herausgerissen und durch penible, kontrastreiche Arrangements in neue Beziehungen gesetzt. 

Sina Links Werke erinnern auf den ersten Blick an Seestücke der traditionellen Malerei. Doch die Fotos, im Siebdruckverfahren auf Reflektorstoff gedruckt, wurden von der Seenotrettungsorganisation SOS Humanity im Mittelmeer aufgenommen. In ihrem Werk verhandelt die Künstlerin die grausame vorherrschende Ambivalenz, wenn das Meer einerseits als Sehnsuchtsort und andererseits als endlose Wassermasse, die Menschenleben schluckt, wahrgenommen wird. Durch Lichteinfall findet eine Umwandlung ins Positiv statt. Motive und Strukturen, die aus jeder Perspektive und jedem Blickwinkel anders erscheinen, werden sichtbar gemacht. Aus dem entstandenen Spannungsfeld zwischen Inszenierung in feinfühliger Ästhetik und Alltäglichkeit ergibt sich die enorme Kraft der Sichtbarmachung der Tragödie. 

Luis Bortt 

MOMO BERA | ANA TOMIC

resting in a haunted house

11.1. – 8.2.23

Die Dorothea Konwiarz Stiftung freut sich, das neue Jahr mit der Ausstellung von Momo Bera (Stipendiatin 2022/23) und Ana Tomic (Stipendiatin 2021/22) zu eröffnen. Der Jahreswechsel ist traditionsgemäß laut, um böse Geister zu vertreiben. Unsere Stipendiatinnen lassen in ihrer Ausstellung hingegen Geister aufscheinen: Sind es bei Ana Tomic Geister der Kunst- und Kulturgeschichte, sind es bei Momo Bera innere Geister, die sich aus einer unbekannten Vergangenheit hervordrängen.

„Jaques Derrida forderte, dass wir lernen, mit Gespenstern zu leben. Er sah Gespenster als die Figuren des Dritten, die von vornherein alle das abendländische Denken prägende Binarismen unterlaufen. Er siedelt die Gespensterfigur im Raum des Zwischens an. Gespenster erscheinen gleichsam als Zeithybride, Fragmente der Vergangenheit, die in der Gegenwart wirken und als offene Fragen die Zukunft heimsuchen. Sie sind ein Aufdrängen des Erinnerns, des individuellen und kollektiven, ohne dass die Erinnerung sich zwangsläufig als solche preisgibt. In der Ausstellung „resting in a haunted house“ berühren Ana Tomic und Momo Bera Themen der Erinnerung, der Erinnerungswürdigkeit, der Historizität von Raum und Körper, sowie seiner Unsichtbarmachung.“

Momo Bera & Ana Tomic

 

DOROTHEAS RAUM


In DOROTHEAS RAUM ist zu jeder Ausstellung ein anderes Bild der Stifterin Dorothea Konwiarz (1932–1999) zu sehen. Es sind die ausstellenden Stipendiatinnen, die dieses auswählen. Im Laufe der Zeit werden die Besucher der Stiftung damit auf wechselvolle Weise durch das Oeuvre von Dorothea Konwiarz geführt. Alle Bilder versammeln sich nach und nach in der digitalen Galerie von DOROTHEAS RAUM.


März 2023: DOROTHEA KONWIARZ Junge Frau mit Wasserpfeife | ca. 1953–55 | Kohlezeichnung auf Packpapier | 90 x 60 cm
 
Februar 2023: Szenenbilder für das Fernsehen von DOROTHEA KONWIARZ | Collage von Ottokar Fritze

„Ab Ende der sechziger Jahre wurde Dorothea Konwiarz von den beiden großen Sendern (es gab noch keine “Freien”) immer häufiger als Bühnenbildnerin und Bühnenarchitektin herangezogen. An die heute üblichen virtuellen Hintergrunddekorationen war noch nicht zu denken, alles musste detailgenau gezeichnet und ausgeführt werden. Vermutlich mehr als hundert Szenenbilder entwarf und betreute sie für oft nur minutenlange Fernseheeinspielungen, von denen jedes einzelne als Bühnenbild eines abendfüllenden Bühnenstücks hätte dienen können.“ Ottokar Fritze

Januar 2023: DOROTHEA KONWIARZ Highjacking Serie | ca. 1977/89 | Tuschaquarell | 75 x 100 cm

November 2022: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Junge Frau) | ca. 1953–55 | Öl auf Leinwand | 64 x 45 cm
Oktober 2022: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Frau mit Drink) | ca. 1953–55 | Öl auf Leinwand | 64 x 45 cm

„Auch in den Folgejahren blieb Dorothea Konwiarz bei der ‚Menschenmalerei‘. Sie malte nun vorwiegend jüngere Frauen und war erkennbar von Hofer und Gauguin beeinflusst. Mit dreiundzwanzig verließ sie die Hochschule.“ Ottokar Fritze

September 2022: DOROTHEA KONWIARZ aus der Serie Highjacking | 1978 | Tuschaquarell | 85 x 65 cm

„Dorothea Konwiarz, eine Künstlerin von bemerkenswerter Gestaltungskraft, niemals auf der Flucht aus der Realität ins Abstrakt- Dekorative: Die weltweit Aufsehen erregende Flugzeugentführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“, deren Opfer sie wurde, fand
in ihrer späten Schaffensperiode den Niederschlag in einem Bilderzyklus ‚Highjacking‘ von albtraumhafter Intensität.“ Ottokar Fritze

MARLEN LETETZKI | OLIVIA PARKES

day rehearsing night

23.11.22 – 4.1.23

 

Die Dorothea Konwiarz Stiftung freut sich,  das Werk der beiden Stipendiatinnen des Förderjahrgangs 2020/21 nach einigen Gruppenausstellungen nun umfassender in der Galerie präsentieren zu können.

 

In den Bildwelten von Marlen Letetzki schweben Objekte, schmiegen sich Dinge aneinander, schmelzen Formen. Es sind Bildelemente, die an etwas erinnern, aber keine Entsprechung in der realen Welt haben. Die Künstlerin erfindet virtuell Objekte, die sie in stilllebenähnlichen Arrangements inszeniert. Es ist eine Art skulpturaler Prozess, der unabhängig von analogen Bedingungen abläuft. In malerischen Übersetzungen dieser Simulationen macht Letetzki so sichtbar, was sein könnte.

Die Gemälde von Olivia Parkes suchen nach einer visuellen Sprache für die zirkuläre Beziehung zwischen Darstellung und Realität und dem kollektiven Gefühl der Angst, das das zeitgenössische Leben beherrscht. Die Künstlerin strebt sowohl eine psychologische als auch eine physische Wiedergabe von Raum und Farbe an und verfolgt eine Form von gesättigtem oder halluzinatorischem Realismus, der dem Schrecken, der Komik und dem Mysterium der Bewegung durch die Welt angemessen erscheint.

 

Marlen Letetzki (geb. 1990 in Weimar) studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste bei Pia Fries, Gregory Cumins und Christine Streuli sowie am Chelsea College in London. Zudem studierte sie Philosophie an der Humboldt Universität. 2015 erhielt sie den Meisterschülerpreis des Präsidenten der UdK. Jüngste Ausstellungsorte waren:
Kunstverein KunstHaus, Potsdam (2022), Galerie Mark Müller, Zürich (2021), Salondergegenwart, Hamburg (2019) sowie ihre Berliner Galerie FeldbuschWiesnerRudolph (2021).

Olivia Parkes (geb. 1989 in London) ist eine britisch-amerikanische Künstlerin und Autorin, die in Berlin lebt. Sie erhielt ihren BA in Studio Art & Art History von der Wesleyan University in den USA und schloss ihr Studium an der Universität der Künste Berlin als Meisterschülerin in der Klasse Favre ab. Jüngste Ausstellungen und Auftritte fanden in folgenden Institutionen statt: Kunstquartier Bethanien, Berlin (2021), Canepa Neri, Mailand (2019), Hannah Barry Gallery, London (2019), sowie in ihrer Berliner Galerie Mountains (2022).

 

JANE GARBERT & SOLVEIG SCHMID

between

30.09. – 16.11.2022

 

Das Äquivalenzzeichen ≈ approximately equal (ungefähr gleich/sich annähernd ) wurde von den Künstlerinnen Jane Garbert und Solveig Schmid als Piktogramm für Ihre Duo-Präsentation mit dem Titel between gewählt.
Die beiden geschwungenen übereinander liegenden Schlangenlinien stehen im mathematischen Kontext für die Darstellung eines ungefähr gleichen Größenverhältnisses zweier oder mehrerer Zahlen bzw. Terme. Der gelb-orange Farbverlauf des Hintergrunds symbolisiert die Wellen innerhalb des Farb- oder Lichtspektrums, die vom menschlichen Gehirn als bekannte Spektralfarben interpretiert werden. Je nach Wellenlänge des Lichts interpretieren wir eine andere Farbe. In der Ausstellung werden diese physikalischen und mathematischen Phänomene ebenso durch künstlerische Werkzeuge wie Pinsel, Leinwand, Öl- und Acrylfarben wie durch Kunstoff und Plexiglas
untersucht. Das non-verbale Zwiegespräch der beiden Künstlerinnen vereint unterschiedliche malerische Herangehensweisen: Prozesshaftes und Impulsives – kontemplativ und meditativ.
Während Schmids Arbeit auf die Notwendigkeit, Flüchtigkeit und das Ausbleiben der Zeichen verweist, wie zum Beispiel in infrequency I, archiviert Garberts seriell angelegte Malerei PU die ästhetische Vielfalt des Baumaterials Polyurethan, welches üblicherweise zur Dämmung, Dämpfung und Entdröhnung eingesetzt wird. Der reduzierte Farbeinsatz in Schmids Arbeiten deutet hingegen auf ein ephemeres Feld, auf dem intensive Dichte und Durchlässigkeit ermittelt werden. Es scheint, als schöpft die Künstlerin ihre Komposition exakt aus diesem maltechnischen Zwischenraum – ein Rauschen von Oberflächlichkeit und Tiefe oder Ruhe und Kraft ertönt. Auf diese Weise untersucht Schmid Sehgewohnheiten und mögliche Größenverhältnisse im Raum.
Der vermeintliche Ort, den Garberts Bild Cover Up zeigt, spielt ähnlich mit dem Phänomen optischer Vieldeutigkeit. Zufällig vorgefunden steht der Bildinhalt für einen konstruktiven Plan. Als an der Wand lehnendes Raumelement inszeniert, wird durch die stoffliche Textur der Oberfläche eine Sinnlichkeit mit einer formalen Ordnung verknüpft.
Die Farbpalette beider Künstlerinnen reicht von Neonpink über Tiefblau zu hellen Pastelltönen. Beide erkunden in ihrer unterschiedlichen malerischen Praxis Imaginationsräume von scheinbar Gegensätzlichem: Natur oder Künstlichkeit, abstrakt oder gegenständlich.

Jane Garbert & Solveig Schmid