AMRITA DHILLON

Stipendiatin 2023/24

©Dorje de Burgh
(* in Neu-Delhi, Indien) lebt und arbeitet in Berlin. Bachelor-Abschluss in Geschichte am Bard College, New York. Derzeit Studium der Bildenden Kunst an der Universität der Künste Berlin in der Klasse von Professor Thilo Heinzmann. Ausstellungen u.a. Werkhalle Wiesenburg, 2024, Kunstquartier Bethanien, Berlin 2023, Einzelausstellung: Stil vor Talent Studio, Berlin 2023.

Als Inderin komme ich aus einer Kultur, in der soziale Normen, Kollektivismus und Konformismus eine große Rolle spielen – und in der der Wunsch nach Individualität argwöhnisch betrachtet wird. Diesen Normierungsdruck habe ich immer als sehr beklemmend und einschränkend empfunden. Malerei ist das diametrale Gegenteil davon: Sie ist frei. Zu malen, ist für mich daher auf einer ganz persönlichen Ebene vor allem eine Befreiung von sozialer Kontrolle – und dadurch eine Bestätigung meiner Individualität als Mensch im Allgemeinen (sowie als Frau im Besonderen). Ich möchte durch mein Malen einen Kontrapunkt zu gesellschaftlichen Vereinfachungen und Kategorisierungen setzen. Meine Gemälde haben ihren Ursprung oft in alten Familienfotos, gefundenen Bildern und Filmszenen, die ich verfremde, verschönere, verzerre oder verkläre. Ich arbeite mit unterschiedliche Medien wie Druckgraphik, Aquarell, Ölmalerei und Fotografie, die sich in meiner Praxis häufig gegenseitig beeinflussen. Geheimnisvolle Erzählungen und eine gewisse narrative Offenheit bilden zusammen den Kern meines (ästhetischen) Anspruchs als Malerin.

amritadhillon.berlin@gmail.com | amritadhillon.com instagram @amritadhillon.berlin

MIRO BOEHM

Stipendiatin 2023/24

©Lisa Hansemann
MIRO BOEHM lebt und arbeitet in Berlin, studiert in der Klasse von Prof. Ursula Neugebauer an der Universität der Künste Berlin. Zuvor Studium und Abschluss in Modedesign in Berlin (HTW).

Meine Arbeiten sind nach innen gerichtete Fragen, die mir als innere Landkarte dienen. Der malerische Prozess ist dabei ein sehr körperlich betonter, der intuitive Momente beinhaltet. Dabei übernehme ich die Rolle eines Seismografen, um eine Art Seelenfeld aufzuspannen.

Um meinen Erfahrungen und Gedanken eine Form zu geben, habe ich ein Zeichensystem entwickelt, durch das ich meine persönlichen Erlebnisse codiere, bevor sie auf Textil(reste) niedergeschrieben werden. Anhand der Titel möchte ich eine innere Verletzlichkeit preisgeben, die sich in der fragilen Struktur der Materialien fortschreibt. Die gelegten Farbspuren und Zeichnungen wirken dabei wie Andeutungen auf eine Geschichte.

Malen ist für mich etwas Lebensspendendes. Mit meiner Malerei möchte ich mit den RezipientInnen in Verbindung treten. Es ist der tiefe Wunsch danach, eine Berührung zu schaffen, in der Hoffnung dass sich meine Erfahrungen und Erzählungen, die sich in den Werken niederschreiben, mit denen der anderen verbinden, sodass das Individuelle zu etwas Universellem wird.

instagram @miroboehm

CANDY BASSAS

Stipendiatin 2023/24

 (*1992 in Barcelona, Spanien) lebt und arbeitet in Berlin. Abschluss in Illustration und Kostümdesign 2016 in Barcelona, seit 2019 Studentin der Bildenden Kunst in der Klasse von David Schutter an der Universität der Künste Berlin. Schwerpunkt Malerei, Druckgrafik, Schreiben und Musikperformance. Veröffentlichungen: „Landscape of my Youth“ bei Spunpress, London, “All I wanted” Februar 2023 mit Pretty Average Musik Projekt, produziert bei Francisco Parisi. Erste Einzelausstellung im Kunstraum Reuter, April 2024.

 Von einer Praxis, die sich oft auf selbstironische Themen konzentriert, hat sich ihre Praxis in Richtung sozialer Angelegenheiten und konzeptioneller Konnotation verschoben. Die Elemente, die in ihre Bildsprache verwendet, haben sich nicht viel verändert, aber die menschliche Figur scheint das zentrale Thema zu sein, und die Natur ist ein Element, das die Protagonisten dieser Geschichte umarmt, um Symbolik zu implizieren. 

Unter dem sozialen Druck der heutigen Zeit, in der unsere Umgebung durch eine Frage des Überlebens bedroht ist, wird unser Wohlergehen ständig in Frage gestellt, indem uns ein Gefühl von Schuld und Angst vermittelt wird. Die brutale Ideologie scheint nie aufgegeben zu haben und regiert eine Gesellschaft, die einst die Freiheit gekostet hat. All dies weckt eine rastlose Ungewissheit, die sich in den folgenden Bildern widerspiegelt. (2024)

Die Flucht in eine Utopie ist die erste Reaktion, die unser Geist entwickelt, wenn wir einer traumatischen Erfahrung ausgesetzt sind. Ein Spiegelbild von uns selbst flieht vor unserem eigenen Geist und unseren Dämonen, um in einer utopischen Landschaft anzukommen. Diese Landschaft wird behutsam beschrieben und zuweilen annulliert, um die eigenen Erinnerungen und Träume zu reflektieren. Durch unser Unterbewusstsein, das Erinnerungsfragmente zusammenführt, bauen wir eine schlummernde Fantasie auf, um die Verbindung zur Realität zu verhindern. Man erforscht seine eigene Vorstellungskraft, um sich in Naturszenen zu vertiefen, und sammelt Formen der Symbolik von Flucht, anstatt sich mit Konflikten auseinanderzusetzen. Die Darstellungsforschung beabsichtigt, eine eigene Sprache über den Prozess der Wiederholung ähnlicher Motive in verschiedenen visuellen Kunstdisziplinen zu finden. Dieser Prozess verbindet die menschliche Figur und die Natur, die zuweilen bis zur Abstraktion reicht und uns zu einer traumähnlichen Erfahrung führt. Letztlich wird hier der fehlende Bezug zur Realität und die Einschließung der Gesellschaft in den Individualismus hinterfragt. (2023)

www.candybassasartwork.com

VERO HAAS & ANNA-MARIA PODLACHA

hyper blurry light

14.6. – 12.7. 2023

Licht ist der sichtbare Bestandteil elektromagnetischer Strahlung und ermöglicht uns, die Welt um uns herum zu erkennen. Trifft Licht auf Materie, so kann es gestreut, reflektiert, gebrochen oder absorbiert werden. In der Kunstgeschichte steht das Licht – je nach Epoche – für Übernatürliches wie die göttliche Präsenz, oder es wird als zentrales Werkzeug für die Darstellung von Räumlichkeit und optischen Phänomenen verwendet.

Vero Haas und Anna-Maria Podlacha verwenden das Licht, um kitschig-trashige und zugleich düster-nostalgische Stimmungen darzustellen. Der Titel hyper blurry light greift diese paradoxe Atmosphäre auf, in der hyperrealistische Pappbecher und verschwommene Kerzenleuchter im selben Licht umherwabern.

In Anna-Maria Podlachas Bildern scheint ein dunkles Gefühl an die grelle Oberfläche zu drängen. Unter Verwendung von Misch- und Montagetechniken kombiniert die Künstlerin popkulturelle Elemente mit persönlichen Erinnerungen. Die Werke agieren ebenso als Reminiszenz an den Kontrollverlust, an die Vergänglichkeit jeder einzelnen Verführung und des eigenen Lebens wie als Vanitas: Was übrig bleibt, ist Beklommenheit und zugleich ein nüchterner Blick auf die Eskalation der Lüste.

Vero Haas taucht Objekte in ein düster-verschwommenes Licht. Dabei verwendet sie dünn aufgetragene, durchscheinende Farbschichten und graphische Linien. Durch diese Techniken entsteht eine Atmosphäre, in der die dargestellten Objekte eine mystische Qualität erhalten und eine subtile Verbindung zwischen Realität und Imagination geschaffen wird.

Vero Haas | Anna-Maria Podlacha

 

In den Arbeiten von VERO HAAS scheint sich das Licht nicht an der Oberfläche zu brechen, sondern die Räume und Dinge muten an als würden sie aus sich selbst heraus sanft in einen dunklen Umraum leuchten. Vero Haas arbeitet mit Pigmenten, die sie in zahlreichen dünnen Lasuren auf der Leinwand übereinanderschichtet. Die langwierige und behutsame Malweise führt zu Bildern, die eine tiefe Ruhe ausstrahlen. Der transparente Farbauftrag wirkt fast entmaterialisierend auf das Dargestellte und die Malerei selbst. Man könnte meinen, die Leinwände hätten roh in einem Raum gehangen und die Umgebung wie für Stimmung und Licht empfindliche Flächen aufgenommen. Etwa das Bild eines Kerzenständers „Vier Kerzen“ (2023), in dem die Flammen wie Geister auflodern.

ANNA-MARIA PODLACHAS Werke zeichnen sich durch eine überbordende Ornamentik der Alltags- und Underground-Kultur aus, die über den Kitsch hinaus auf die Spitze getrieben wird; soweit, dass die Wahrnehmung der grellen Oberfläche in ein Gefühl des Unbehagens kippt. Explizit wird diese Ambivalenz in dem Bild, in dem scheinbar ein Trinkgefäß geworfen wird. Nicht in Richtung des Betrachters – es handelt sich nicht um eine Publikumsbeschimpfung – sondern in Hibiskusblumen in bekannter Feel-Good-Stilistik hinein. Im Hintergrund zeigt sich auf den zweiten Blick ein sich wiederholender Schriftzug „no more“, der auch den Titel der Arbeit bildet. Dieses Sowohl-als-Auch ist nicht nur innerhalb eines Einzelwerks sondern im Gesamtwerk der Künstlerin zu finden. So überrascht es zwar zunächst, dass eine Arbeit wie „in another light“ mit ihren lichten Strukturen vor samtig-dunklem Hintergrund ebenfalls zu ihrem Werk gehört. Es ergänzt die anderen Arbeiten der Ausstellung aber in der Vorstellung eines mentalen Nachglitzerns nach einer heftigen Party.

Cora Waschke

 

VERO HAAS

 

ANNA-MARIA PODLACHA

ELENI MANOLOPOULOS & EMMA ZIMMERMANN

empty set

10.5.–7.6.2023

Die Dorothea Konwiarz Stiftung freut sich, die Ausstellung von Eleni Manolopoulos und Emma Zimmermann zu präsentieren. 

Die beiden Stipendiatinnen des Förderjahrgangs 2022/23 bringen ihre ganz unterschiedlichen Werke unter dem Titel empty set zusammen. Mit diesem Begriff aus der Mengenlehre, den sie in ihrem Text als Bezeichnung für das Nichts als etwas Seiendem kennzeichnen, verweisen sie auf das für die Bildende Kunst grundlegende Phänomen des Sichtbarwerdens von etwas Unbeschreiblichem.

 

„Empty set ist ein Begriff der Mengenlehre und bezeichnet die leere Menge. Entgegen der Annahme, das empty set sei äquivalent zum Nichts, bezeichnet es die Menge, welche das Nichts enthält. Damit wird das Nichts als Nichtseiendes zu einem Seienden, zu etwas Beschreibbarem, das durch die Menge zusammengefasst wird. Das empty set ist eine formale Sprache. Sie ist die Sprache, die keine Wörter enthält, also die leere Sprache. Es gibt nur eine leere Sprache und als Teilmenge einer jeden anderen Sprache ist sie universal.

Kunst ermöglicht es Inhalte, die sich der natürlichen Sprache entziehen, zu vermitteln. Dazu entwickeln Künstler*innen ‚formale Sprachen‘ bestehend aus Farbe, Form und Komposition. Auch bei völlig disjunkten, unterschiedlichen künstlerischen Praktiken teilen sich alle künstlerischen Sprachen die leere Menge, empty set, und das Bestreben, etwas zu vermitteln, das sich der natürlichen Sprache entzieht, etwas zu beschreiben, das nicht beschreibbar ist. 

Manopoulos Formensprache besteht aus abstrakten Formen, Buchstaben, Zahlen, Farbe und Komposition. Dabei fertigt sie von der Zeichnung ausgehend Malereien und Grafiken an. Die in der Ausstellung präsentierten Ölmalereien zeigen die Wirkung von exzentrischem Weiß und konzentrischem Schwarz. Für sie und ihre Arbeit gilt: „Ohne Disziplin keine Freiheit, ohne Fessel keine Intensität. Nicht nachdenken, sondern fühlen, nicht verstehen, sondern wirken lassen.“ (Sharon Eyal)

Zimmermann versucht, Machtverhältnisse neu zu denken und dafür eine visuelle Sprache zu finden. Themen wie Wut und Verletzlichkeit tauchen in den Arbeiten auf und gleichzeitig die Frage, wie man Wut zeigen kann, ohne Bilder patriarchal geprägter Strukturen zu reproduzieren. Unteranderem werden handgeschmiedete Stahlspitzen als malerische Elemente eingesetzt, textile Stoffe werden durch eine Kombination aus Tanz- und Reinigungsfrottage zu Malereien, und experimentelle Drucke entstehen durch ein bedachtes Aufschichten von gesammelten Stoffausschnitten. Zimmermanns Arbeit bewegt sich zwischen der Lust am Aufrütteln, das Unbequeme herauszukitzeln, produktiver Wut und dem akribischen Erforschen, sensiblen Beobachten von textilen Stoffen und deren Kontexten.“

Eleni Manolopoulos studiert seit 2019 Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin in der Klasse von Prof. Christine Streuli, zudem Sprache & Gesellschaft und Informatik an der Freien Universität Berlin. Seit 2021 ist sie Stipendiatin des Cusanuswerkes.

Emma Zimmermann *1997 in Großburgwedel, lebt und arbeitet in Berlin, studiert Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin in der Klasse von Prof. Christine Streuli. Sie war Preisträgerin des Anerkennungspreises der Walter Stöhrer-Stiftung 2021/22.

 

 

ELENI MANOLOPOULOS’ gleichmäßiger Farbauftrag lässt die Stofflichkeit der Malerei fast vergessen. Die monochrom erscheinenden Farbgründe erhalten durch ihre vielfarbigen Lasurschichtungen ihre Tiefe und Leuchtkraft. Wobei die psychophysische Wirkung von Farben und Farbkompositionen für die Künstlerin wichtig ist – wenn etwa ein exzentrisches Rot mit einem, nach Kandinsky, konzentrischen Schwarz von Kreisen, Linien, Zahlen und Buchstaben ringt. Diese rätselhaften Notationen gehen auf existierende Rechnungen aus der Mathematik zurück.

Im Zentrum von EMMA ZIMMERMANNs Werk steht die Leinwand, der Stoff.
Die Leinwand ist das grundlegende Material der Malerei, einer traditionell männlich geprägten Gattung. Der Stoff, der gewebt, vernäht und bestickt wird, ist hingegen mit der weiblich konnotierten Textilkunst und der Handarbeit verknüpft. Von dort aus ist es in der Assoziationskette nur ein kleiner Schritt zur Hausarbeit und dem Wischtuch.
Emma Zimmerman reibt sich an derartigen Zuschreibungen und reibt den Leinwandstoff über den mit Farbe bedeckten Boden. Auf diese Weise entsteht eine Frottage, eine Reinigungsfrottage, wie die Künstlerin sie nennt. Diese wird von ihr vernäht, bestickt, mit Sinnsprüchen aus Haushaltsbüchern aus den 50er bis 70er Jahren bedruckt – und durchbohrt mit von der Künstlerin handgeschmiedeten Stahl-Spießen, die Emma Zimmermann bezeichnenderweise Spießer nennt.

Cora Waschke

ELENI MANOLOPOULOS

EMMA ZIMMERMANN

SOLWEIG DE BARRY | JOSEPHINE HANS

floating concrete

22.3. – 3.5.2023

Eine Flüchtigkeit, die inmitten des urbanen Lebens zu schweben scheint. Ein Zustand des Übergangs, der Unbeständigkeit, jener Augenblick, der sich zwischen dem Festen und dem Flüchtigen befindet, kurz vor der Ewigkeit. Die Farben und Formen, die in den Werken von Solweig de Barry auftauchen, während sie bei Josephine Hans aufblitzen, sind Fragmente des alltäglichen Geschehens, Momentaufnahmen aus dem Fluss des Überflusses.

Solweig de Barry modelliert in ihren Arbeiten neue Welten. Mittels Substraktion zerlegt sie den Bildgegenstand sukzessive und verhandelt damit die Begrenzungen des ursprünglichen Bildmotivs und die ihm innewohnende Flüchtigkeit neu. Durch die radikale Reduktion von Perspektive, Bildaufbau und Realitätsnähe entwickelt die Künstlerin in der farbigen Flächigkeit der Formen und Linien so ein neues, immaterielles Abbild persönlicher Momente.[1]

Josephine Hans hingegen sucht nach flüchtigen Erscheinungen, nach immer neuen Erzählformen. In ihrer Arbeitsweise manifestiert sich die Veränderung durch Wiederholung, wobei Geschwindigkeit zu ihrer zentralen Strategie wird. Ihre Arbeiten sind ein Ausflug in die Farbmetastruktur unserer Gegenwart: Schnell. Kurz. Unpräzise. Unbeholfen. Mehrfache Variationen desselben Motivs werden zur Erzählung unserer Zeit.

So schweben die Werke von Solweig de Barry und Josephine Hans zwischen Konkretem und Unkonkretem, zwischen Überfluss und Reduktion, zwischen Schwere und Leichtigkeit. Sie halten die Balance zwischen Figur und Abstraktion und schaffen ein neues Bild unserer Zeit, das sich der Flüchtigkeit der Ewigkeit bewusst ist. Ein Leben auf Asphalt. Ein Meer aus Plastik. Eine Erinnerung an Bananensplit. Ein Geschmack, der zerfließt. vergeht. verfliegt.

Solweig de Barry | Josephine Hans, 2023
[1] Auszug aus dem Text Relikte des Temporären zu den Arbeiten von Solweig de Barry von Sonja-Maria Borstner

ISABELLA BRAM | SINA LINK

wonky wave

15.2. – 15.3.2023

In wonky wave schaffen Isabella Bram und Sina Link ein Spannungsfeld von Inszenierung und Alltäglichkeit. Die Künstler:innen spielen mit subtilen und widersprüchlichen Sinnbildern, Sujets und Zeichencodes, ohne eindeutige Rückschlüsse auf deren Entschlüsselung zu bieten. Sowohl Bram als auch Link arbeiten in einer fließenden, freien Materialität. Die Arbeiten sind plastisch und raumgreifend, im Wechselspiel von Nähe und Distanz wirkend. Es ist der Dialog mit den Werken, aus dem eine Aktivierung und damit eine Entschlüsselung des Bild-Positiven im Fall von Sina Link und der codierten Rätsel im Fall von Isabella Bram hervorgeht. 

In Isabella Brams Arbeiten sind Bildobjekte Träger von assoziativen Zeichencodes. Durch die ineinandergreifenden, sich überlagernden Objekte und Oberflächen ergeben sich ganz unbestimmte Verbindungen und ambivalente, sinnbildliche Rätsel. Zwischen malerischen und bildhauerischen Methoden arbeitend, bricht Isabella Bram mit dem konventionellen Malereibegriff und schafft Bildträger, die aufgrund ihrer Plastizität raumgreifend und anregend wirken. Alltägliche Bilder und Objekte werden aus ihrem Kontext herausgerissen und durch penible, kontrastreiche Arrangements in neue Beziehungen gesetzt. 

Sina Links Werke erinnern auf den ersten Blick an Seestücke der traditionellen Malerei. Doch die Fotos, im Siebdruckverfahren auf Reflektorstoff gedruckt, wurden von der Seenotrettungsorganisation SOS Humanity im Mittelmeer aufgenommen. In ihrem Werk verhandelt die Künstlerin die grausame vorherrschende Ambivalenz, wenn das Meer einerseits als Sehnsuchtsort und andererseits als endlose Wassermasse, die Menschenleben schluckt, wahrgenommen wird. Durch Lichteinfall findet eine Umwandlung ins Positiv statt. Motive und Strukturen, die aus jeder Perspektive und jedem Blickwinkel anders erscheinen, werden sichtbar gemacht. Aus dem entstandenen Spannungsfeld zwischen Inszenierung in feinfühliger Ästhetik und Alltäglichkeit ergibt sich die enorme Kraft der Sichtbarmachung der Tragödie. 

Luis Bortt 

MOMO BERA | ANA TOMIC

resting in a haunted house

11.1. – 8.2.23

Die Dorothea Konwiarz Stiftung freut sich, das neue Jahr mit der Ausstellung von Momo Bera (Stipendiatin 2022/23) und Ana Tomic (Stipendiatin 2021/22) zu eröffnen. Der Jahreswechsel ist traditionsgemäß laut, um böse Geister zu vertreiben. Unsere Stipendiatinnen lassen in ihrer Ausstellung hingegen Geister aufscheinen: Sind es bei Ana Tomic Geister der Kunst- und Kulturgeschichte, sind es bei Momo Bera innere Geister, die sich aus einer unbekannten Vergangenheit hervordrängen.

„Jaques Derrida forderte, dass wir lernen, mit Gespenstern zu leben. Er sah Gespenster als die Figuren des Dritten, die von vornherein alle das abendländische Denken prägende Binarismen unterlaufen. Er siedelt die Gespensterfigur im Raum des Zwischens an. Gespenster erscheinen gleichsam als Zeithybride, Fragmente der Vergangenheit, die in der Gegenwart wirken und als offene Fragen die Zukunft heimsuchen. Sie sind ein Aufdrängen des Erinnerns, des individuellen und kollektiven, ohne dass die Erinnerung sich zwangsläufig als solche preisgibt. In der Ausstellung „resting in a haunted house“ berühren Ana Tomic und Momo Bera Themen der Erinnerung, der Erinnerungswürdigkeit, der Historizität von Raum und Körper, sowie seiner Unsichtbarmachung.“

Momo Bera & Ana Tomic

 

DOROTHEAS RAUM

 


In DOROTHEAS RAUM ist zu jeder Ausstellung ein anderes Bild der Stifterin Dorothea Konwiarz (1932–1999) zu sehen. Es sind die ausstellenden Stipendiatinnen, die dieses auswählen. Im Laufe der Zeit werden die Besucher der Stiftung damit auf wechselvolle Weise durch das Oeuvre von Dorothea Konwiarz geführt. Alle Bilder versammeln sich nach und nach in der digitalen Galerie von DOROTHEAS RAUM.


Mai 2024: DOROTHEA KONWIARZ o. T. | 1962/63 | Tuschaquarell | 47 x 54 cm

„Sie ging für ein Jahr nach Amerika, stellte in prominenten Galerien in New York und Chicago recht erfolg- reich ihre ersten Bilder aus und entwickelte für sich ein sehr eigenes, inhaltsbezogenes Konzept vielschich- tiger, ineinanderfließender Abstraktionen. Eine Reihe bemerkenswerter Aquarelle aus jener Zeit sind noch erhalten, etwa: „Opferstätte“, „Fahrbare Gegend“, „Purgatorium“, „Overkill“ …“ Ottokar Fritze

Februar 2024: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Studie Frau mit Kopftuch) | späte 1940er Jahre | Bleistiftzeichnung| 34 x 30 cm
November 2023: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Studie Faltungen) | späte 1940er Jahre, Bleistiftzeichnung | 40 x 60 cm
September 2023: DOROTHEA KONWIARZ aus der Serie „Highjacking“ | 1977 | Aquarellfarbe auf Papier | 91 x 59 cm

„Dorothea Konwiarz, eine Künstlerin von bemerkenswerter Gestaltungskraft, niemals auf der Flucht aus der Realität ins Abstrakt- Dekorative: Die weltweit Aufsehen erregende Flugzeugentführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“, deren Opfer sie wurde, fand
in ihrer späten Schaffensperiode den Niederschlag in einem Bilderzyklus ‚Highjacking‘ von albtraumhafter Intensität.“ Ottokar Fritze

Juni 2023: DOROTHEA KONWIARZ Eine alte Frau („Trümmerfrau“) | 1951 | Kohlezeichnung auf Packpapier

„Mit dem Pinsel wollte Dorothea die Dürftigkeit und das Elend erfassen, holte sich ihre Modelle von nebenan, aus der Straßenbahn, von Schwarzmarktplätzen, an den Fürsorgeschaltern. Sie malte die dumpfe Verzweiflung der Überlebenden des großen Mordens. Fühlte sich den Gedemütigten verbunden, den Kriegswitwen ohne Hoffnung, Trümmerfrauen ohne Lächeln – sie war keine widerborstige Emanze. Dorothea war Malerin. Menschenmalerin.“ Ottokar Fritze

 

Mai 2023: DOROTHEA KONWIARZ Der Große Preis | Dez. 1974 | Architekturzeichnung | 61 x 87 cm

„Ab Ende der sechziger Jahre wurde Dorothea Konwiarz von den beiden großen Sendern (es gab noch keine “Freien”) immer häufiger als Bühnenbildnerin und Bühnenarchitektin herangezogen. An die heute üblichen virtuellen Hintergrunddekorationen war noch nicht zu denken, alles musste detailgenau gezeichnet und ausgeführt werden. Vermutlich mehr als hundert Szenenbilder entwarf und betreute sie für oft nur minutenlange Fernseheeinspielungen, von denen jedes einzelne als Bühnenbild eines abendfüllenden Bühnenstücks hätte dienen können.“ Ottokar Fritze


März 2023: DOROTHEA KONWIARZ Junge Frau mit Wasserpfeife | ca. 1953–55 | Kohlezeichnung auf Packpapier | 90 x 60 cm

„Auch in den Folgejahren blieb Dorothea Konwiarz bei der ‚Menschenmalerei‘. Sie malte nun vorwiegend jüngere Frauen und war erkennbar von Hofer und Gauguin beeinflusst. Mit dreiundzwanzig verließ sie die Hochschule.“ Ottokar Fritze

Februar 2023: Szenenbilder für das Fernsehen von DOROTHEA KONWIARZ | Collage von Ottokar Fritze
Januar 2023: DOROTHEA KONWIARZ Highjacking Serie | ca. 1977/89 | Tuschaquarell | 75 x 100 cm
November 2022: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Junge Frau) | ca. 1953–55 | Öl auf Leinwand | 64 x 45 cm
Oktober 2022: DOROTHEA KONWIARZ o. T. (Frau mit Drink) | ca. 1953–55 | Öl auf Leinwand | 64 x 45 cm
September 2022: DOROTHEA KONWIARZ aus der Serie Highjacking | 1978 | Tuschaquarell | 85 x 65 cm

MARLEN LETETZKI | OLIVIA PARKES

day rehearsing night

23.11.22 – 4.1.23

 

Die Dorothea Konwiarz Stiftung freut sich,  das Werk der beiden Stipendiatinnen des Förderjahrgangs 2020/21 nach einigen Gruppenausstellungen nun umfassender in der Galerie präsentieren zu können.

 

In den Bildwelten von Marlen Letetzki schweben Objekte, schmiegen sich Dinge aneinander, schmelzen Formen. Es sind Bildelemente, die an etwas erinnern, aber keine Entsprechung in der realen Welt haben. Die Künstlerin erfindet virtuell Objekte, die sie in stilllebenähnlichen Arrangements inszeniert. Es ist eine Art skulpturaler Prozess, der unabhängig von analogen Bedingungen abläuft. In malerischen Übersetzungen dieser Simulationen macht Letetzki so sichtbar, was sein könnte.

Die Gemälde von Olivia Parkes suchen nach einer visuellen Sprache für die zirkuläre Beziehung zwischen Darstellung und Realität und dem kollektiven Gefühl der Angst, das das zeitgenössische Leben beherrscht. Die Künstlerin strebt sowohl eine psychologische als auch eine physische Wiedergabe von Raum und Farbe an und verfolgt eine Form von gesättigtem oder halluzinatorischem Realismus, der dem Schrecken, der Komik und dem Mysterium der Bewegung durch die Welt angemessen erscheint.

 

Marlen Letetzki (geb. 1990 in Weimar) studierte Bildende Kunst an der Universität der Künste bei Pia Fries, Gregory Cumins und Christine Streuli sowie am Chelsea College in London. Zudem studierte sie Philosophie an der Humboldt Universität. 2015 erhielt sie den Meisterschülerpreis des Präsidenten der UdK. Jüngste Ausstellungsorte waren:
Kunstverein KunstHaus, Potsdam (2022), Galerie Mark Müller, Zürich (2021), Salondergegenwart, Hamburg (2019) sowie ihre Berliner Galerie FeldbuschWiesnerRudolph (2021).

Olivia Parkes (geb. 1989 in London) ist eine britisch-amerikanische Künstlerin und Autorin, die in Berlin lebt. Sie erhielt ihren BA in Studio Art & Art History von der Wesleyan University in den USA und schloss ihr Studium an der Universität der Künste Berlin als Meisterschülerin in der Klasse Favre ab. Jüngste Ausstellungen und Auftritte fanden in folgenden Institutionen statt: Kunstquartier Bethanien, Berlin (2021), Canepa Neri, Mailand (2019), Hannah Barry Gallery, London (2019), sowie in ihrer Berliner Galerie Mountains (2022).