In DOROTHEAS RAUM ist zu jeder Ausstellung ein anderes Bild der Stifterin Dorothea Konwiarz (1932–1999) zu sehen. Es sind die ausstellenden Stipendiatinnen, die dieses auswählen. Im Laufe der Zeit werden die Besucher der Stiftung damit auf wechselvolle Weise durch das Oeuvre von Dorothea Konwiarz geführt. Alle Bilder versammeln sich nach und nach in der digitalen Galerie von DOROTHEAS RAUM.
Zudem sollen im vorausgehenden Text Dorothea Konwiarz‘ Leben und Werk etwas ausführlicher dargestellt werden. Die Ausführungen spiegeln den jeweiligen Stand der laufenden Recherchearbeit wider.
Dorothea Konwiarz – ein Künstlerinnenleben
von Cora Waschke

Mit 17 Jahren schreibt sich Dorothea Konwiarz (1932–199), ein Jahr vor dem Abitur, und gegen den väterlichen Widerstand an der Meisterschule für das Kunsthandwerk in Berlin ein. An den kunstgewerblichen Ausbildungsstätten und privaten Kunst-Schulen waren künstlerisch begabte Frauen schon willkommen gewesen, als die prestigeträchtigeren Akademien sie noch ausschlossen. Aus Konwiarz’ frühem künstlerischen Schaffen ist eine Zeichenmappe mit Studien zu Körpern und Faltenwürfen erhalten.

Kaum 20-jährig bewirbt sich Konwiarz dann an der HfbK Berlin, wo sie vorläufig mit der Begründung abgewiesen wird, dass die wenigen Studienplätze zunächst an Kriegsheimkehrer vergeben würden.2 Sie reicht Arbeitsproben ein, darunter das Selbstporträt mit Fliederzweig und roter Perücke von 1950 (Abb. 2), und wird für das Wintersemester 1953/54 in die gemeinsame Klasse von Willy Robert Huth (1890–1977) und Hans Jaenisch (1907–1989) in der Abteilung I: Freie Kunst aufgenommen. Es ist überliefert, dass Karl Hofer (1878–1955) sich wertschätzend über ihre Arbeiten geäußert habe. Nach eigenen Angaben hat Konwiarz bis 1956 Malerei und später Bühnenbild studiert. Laut Studierenden- Akte wurde sie hingegen bereits im September 1954 aufgrund einer schweren Erkrankung exmatrikuliert. Ihren Lebensunterhalt und die Kosten für das Studium hatte Konwiarz mit zahlreichen Nebenjobs über den Studentendienst TUSMA finanziert: sei es mit Babysitting, Altenpflege oder dem Verkauf von Vivil-Bonbons aus dem Bauchladen in Sportarenen und an Straßenecken.
Aus der Zeit ihres Studiums ist eine Vielzahl von Frauendarstellungen erhalten. Besonders diejenigen, die auf Modellsitzungen an der Hochschule zurückgehen, so auch einige Akte (S. 50/51), ähneln den Werken des damaligen Hochschul-Direktors Karl Hofer. Es sind oftmals in sich gekehrte, vereinzelte Figuren in einer nüchternen, der Neuen Sachlichkeit verwandten Malweise (Abb. 3). Nach Konwiarz’ eigenem Bekunden hatten sie zudem Paul Gauguins Frauenköpfe vor Südsee-Kulisse inspiriert. Auffällig ist, dass Dorothea Konwiarz – „die Menschenmalerin“ (O. T.) – in ihrer freien künstlerischen Praxis ausschließlich weibliche Personen malt und zeichnet, darunter viele ältere Frauen, Kriegswitwen und Trümmerfrauen.
„Mit dem Pinsel wollte Dorothea die Dürftigkeit und das Elend erfassen, holte sich ihre Modelle von nebenan, aus der Straßenbahn, von Schwarzmarktplätzen, an den Fürsorgeschaltern. Sie malte die dumpfe Verzweiflung der Überlebenden des großen Mordens. Fühlte sich den Gedemütigten verbunden, den Kriegswitwen ohne Hoffnung, Trümmerfrauen ohne Lächeln […] Dorothea war Malerin. Menschenmalerin.“ Ottokar Fritze.

Während ihres Malerei-Studiums, das atmosphärisch von männlichem Geniekult geprägt gewesen sein dürfte, entwickelt Dorothea Konwiarz – vermutlich auch, um ihrer eigenen Selbstbehauptung Ausdruck zu verleihen – Bilder moderner Frauen. Für diese Darstellungen in expressiveren Farben nimmt sie sich vereinzelt Freundinnen und Kommilitoninnen als Modelle. Die weiblichen Figuren erscheinen darin jung, selbstbewusst und agil, so wie die lächelnden Frauen mit Getränk und Strohhalm (Abb. 5) oder die lässig an einem Tisch sitzende Freundin mit Pfeife. In ihrer Formensprache erinnern einige dieser Motive an Frauendarstellungen von Henri Matisse.
Nach ihrem Studium geht Konwiarz für ein Jahr nach Amerika, wo in den sechziger Jahren Minimal Art, Op-Art, Pop-Art und Performance-Kunst die Avantgarde neu definieren. Von zwei amerikanischen Galerien wird die Künstlerin für einige Zeit recht erfolgreich vertreten: von den Van Diemen- Lilienfeld Galleries in New York und der German Gallery in Chicago. „Die Bilder von damals“, hält Ottokar Fritze fest, „wurden teilweise verkauft oder gingen bei Auflösung der traditionsreichen Kunststätten verloren“5. In Deutschland erfolgt 1964 Konwiarz’ erste Einzelausstellung in den Kolonnaden des Berliner Hilton. Es gibt aus diesen Jahren eine ganze Reihe von düsteren Bildern, in denen Tusche und Aquarellfarbe in Laviertechnik ineinander verlaufen. Die abstrahierten Darstellungen mit surrealer Anmutung tragen oft Titel, die auf mystischreligiös aufgeladene Orte oder mythologische Figuren verweisen, wie Purgatorium, Opferstätte oder Feuervogel Ruby.

Die 1970er-Jahre sind für Dorothea Konwiarz von Auftragsarbeit geprägt. Hierzu zählen auch (Stadt-)Landschaften. Aber existenzsichernd werden die Ausgestaltungen von Geschäfts- und Privaträumen, der Entwurf von Kirchenfenstern, Sgraffiti für öffentliche Gebäude (Abb. 7) und Messebauten in Warschau, Stockholm und Rom gewesen sein. Außerdem realisiert Konwiarz zwischen 1968 und 1982 mehr als hundert Bühnen- und Szenenbilder.
„Ab Ende der sechziger Jahre wurde Dorothea Konwiarz von den beiden großen Sendern (es gab noch keine “Freien”) immer häufiger als Bühnenbildnerin und Bühnenarchitektin herangezogen. An die heute üblichen virtuellen Hintergrunddekorationen war noch nicht zu denken, alles musste detailgenau gezeichnet und ausgeführt werden. Vermutlich mehr als hundert Szenenbilder entwarf und betreute sie für oft nur minutenlange Fernseheeinspielungen, von denen jedes einzelne als Bühnenbild eines abendfüllenden Bühnenstücks hätte dienen können.“ O. F.

„Die weltweit Aufsehen erregende Flugzeugentführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“, deren Opfer sie wurde, fand in ihrer späten Schaffensperiode den Niederschlag in einem Bilderzyklus ‚Hijacking‘ von albtraumhafter Intensität“ O.F.
Im Gegensatz zu ihrem Bericht über die traumatische Geiselnahme Ich hatte einen bösen Traum, der mehrmals über Radiostationen der ARD läuft, hält Konwiarz die Werkreihe Hijacking, die sie in den Wochen nach ihrer Befreiung anfertigt, zurück. Diese wird erst nach dem Tod der Künstlerin, zur Eröffnung der Dorothea-Konwiarz-Stiftung gezeigt
Nach dieser Werkreihe sollte kein einziges Bild mehr entstehen, auf dem Menschen zu sehen sind. Konwiarz lehnt lukrative Auftragsarbeiten ab und wendet sich in ihrer Malerei der Landschaft zu. „Dinge bis an den Rand der Kenntlichkeit abstrahierend und das Figürliche wie in einem Vexierbild versteckend, entsteht eine Reihe von Aquarellen, Zeichnungen und Ölbildern, die inzwischen fast alle verkauft oder verschenkt sind, ohne dokumentiert zu sein.“ O. T.
Dorothea Konwiarz‘ Werke in antichronologischer Reihenfolge ihrer Ausstellung in DOROTHEAS RAUM